
Die Kulturkapellen im Trierer Land
Das Projekt „Kulturkapellen-Netzwerk im Trierer Land“ nimmt alte Ortskerne in den Blick und damit auch alte Dorfkapellen. Um diese vor Leerstand zu schützen, gilt es sie mit Leben zu füllen.
Im Rahmen des digitalen Vermittlungsvorhabens wird eine Plattform geschaffen, auf der Informationen über die Architektur und Baugeschichte sowie Öffnungszeiten und ein Veranstaltungskalender zu den Kapellen zugänglich gemacht werden. Besucher*innen haben die Möglichkeit vor Ort mit dem Smartphone mithilfe eines QR-Codes auf einer Infotafel alles Wissenswerte abzurufen. Ermöglicht wird dies über die drahtlose Übertragungstechnik Near Field Communication (NFC). Als Pilotprojekt dient die Kapelle St. Dionysius in Igel.
Interview mit Katharina Zey-Wortmann (Dipl. Theol.), Leiterin der Fachstelle Katholische Erwachsenenbildung (KEB) in Trier und Initiatorin des Digitalprojektes „Kulturkapellen-Netzwerk im Trierer Land“
Liebe Frau Zey-Wortmann, wie entstand die Idee zu einem Kulturkapellen-Netzwerk im Trierer Land? Was ist Ihre persönliche Motivation?
Das Umland der Stadt Trier ist, trotz einiger Mittelzentren, ein sehr ländlich geprägtes Gebiet mit vielen kleinen Ortschaften an der Mosel, in der Eifel und im Hunsrück. Ich bin immer wieder dort unterwegs gewesen und habe gesehen, dass die alten Ortskerne kaum saniert werden können und zerfallen. Das war für mich eine wichtige Beobachtung, die mich sehr nachdenklich gemacht hat. Inmitten dieser alten Ortskerne befanden sich diese z.T. sehr alten Kapellen, die ebenso betroffen waren. Da kam mir der Gedanke, dass etwas passieren müsse, um diese sakralen Kulturgüter vor Profanierung oder Verfall zu schützen. Aus der kommunalen Raumordnung kenne ich den Begriff des „Donuts-Effektes“. Im Innenbereich finden wir die alten Ortskerne vor, im Außenbereich findet eine vielfach kreisförmige Besiedlung statt und es entstehen Neubaugebiete. Der Grund dafür ist, dass die Dorferneuerungskonzepte „auf Eis gelegt“ wurden und eine energetische oder bauliche Sanierung für Privatleute nicht finanzierbar ist. Meine Idee war, eine „Brücke“ zu bauen und Alt und Jung zusammenzubringen: alte Gemäuer zu jungen Gemäuern, aber auch ältere Menschen, die überwiegend in den alten Ortsteilen leben und die jüngeren Menschen aus den Neubaugebieten. Beide Teile bedürfen eines Mittelpunktes.
Das Vermittelnde ist die Identität eines Ortes und diese Identität entsteht auch durch Bauwerke. Zum Beispiel ist Trier ohne die Porta Nigra oder den Dom nicht zu denken.
Meine persönliche Überlegung war, eine Idee zu entwickeln, wie man einen Zusammenhang und damit einen Zusammenhalt, mittels eines Gebäudes, an dem den Bürgerinnen und Bürgern etwas gelegen ist, erreichen kann.
Die zweite Überlegung war, wie man Menschen motivieren kann, etwas mit ihren Sakralbauten zu machen, dabei sollen sie die Würde des Raumes wahren und unter diesen Rahmenbedingungen in Freiheit gestalten können. Mir geht es darum, Ehrenamtliche zu motivieren, ihre Kapelle zu erkunden, kennenzulernen und sie zu befähigen, Dinge selbst in die Hand zu nehmen und diese „Plattform“ auch zu nutzen.
Der dritte Aspekt war, ein Kapellennetzwerk zu entwickeln, in der Weise, dass Ehrenamtliche mit Referent*innen, mit Musiker*innen oder mit Schriftsteller*innen zusammenkommen und sich austauschen können. Im Hintergrund sind wir in unserer Fachstelle dabei einen Referent*innenpool zu erstellen, zu vermitteln und zu beraten und damit unseren Ehrenamtlichen Recherchearbeit abgenommen wird. Sie können bei uns Anfragen stellen, anrufen und sagen: „Wir möchten eine Veranstaltung im Sommer hier an der Mosel in unserer Kapelle machen. Hätten Sie eine Referent*in oder haben Sie jemanden, der eine Lesung oder Konzert anbieten kann, zu einem Thema das hierher passt?“ Quasi wie eine Agentur beraten und unterstützen wir die Akteur*innen vor Ort. Das „operative Geschäft“ liegt in ihren Händen.

Die Alte Pfarrkirche St. Dionysios in Igel diente als Pilotprojekt für das Digitalvorhaben „Kulturkapellennetzwerk im Trierer Land“. Foto: Rolf Lorig
Welche Rolle spielt für Sie die Denkmalvermittlung bei der Belebung der Dorfkapellen?
Ich finde, Denkmalvermittlung spielt die zentrale Rolle. Es geht um Erschließung, Erklärung von Räumen, in diesem Fall von sakralen Räumen. Es geht um Dokumentation, aber auch um Öffnung und Nutzung.
Es ist schön zu beobachten, wie erstaunt die Menschen sind, wenn sie sich bei Betreten der Kapelle ihrer Tradition oder ihrer Identität bewusstwerden, automatisch lernen sie auch diese „Denk-mal(e)!“ der Vergangenheit wertzuschätzen. Nicht zuletzt soll der Funken der Begeisterung für diese Schätze vor Ort überspringen. Diese Begeisterung soll bei den Menschen vor Ort entfacht werden, damit sie neugierig werden und ihr Objekt vor Ort erkunden, aber auch übers Land fahren und schauen wo es noch was zu entdecken gibt. Dieses Projekt animiert zu einer Entdeckungsreise und auch zu einer zeitgenössischen „Zu-Gabe“.
Für das Pilotprojekt haben Sie die Kapelle St. Dionysius ausgewählt. Aus welchem Grund?
Zum einen ist die St. Dionysius-Kapelle in Igel schon sehr alt. Sie wurde erstmals im 7. Jahrhundert urkundlich erwähnt, also ein Ort mit einer langen Tradition. Hier wurde über 1300 Jahre gebetet, geglaubt, gelacht und geweint. Zudem ist St. Dionysius sehr gut erforscht und dokumentiert. Es steht ein aktiver Förderkreis zu dieser Kapelle, nicht nur was den Bauunterhalt betrifft, er organisiert Veranstaltungen und kümmert sich um die Kapelle als Ganzes. Der dritte Aspekt ist der, dass St. Dionysius ganz nah an der Grenze zu Luxemburg steht. Wir möchten grenzüberschreitend arbeiten. Es ist uns wichtig, dass wir zum europäischen Nachbarn die Brücke schlagen. Als weiteres Kriterium für die Auswahl dieser Kapelle war für mich die gute Organisation des Fördervereins und die koordinierte Zusammenarbeit, um das Projekt so schnell umzusetzen. Denn das Förderprogramm ließ uns wenig Zeit. Eigentlich haben wir die Arbeit von anderthalb Jahren in wenigen Monaten umsetzen müssen. Hier war dieser sehr aktive Förderverein und sein Vorsitzender Dr. Hans-Werner Weisskircher extrem hilfreich, denn sie standen immer zur Verfügung, wenn ein nächster Projektschritt es erforderte. Und wenn es schnell gehen soll, muss man genau solche engagierte Mitwirkende haben.

Die Organisator*innen des Digitalprojektes „Kulturkapellen-Netzwerk im Trierer Land“ (Katharina Zey-Wortmann (links); Dr. Hans-Werner Weisskircher (mitte), 1. Vorsitzender des Fördervereins „Alte Kirche Igel e.V.“; Dr. Barbara Weber-Dellacroce (rechts)). Foto: Rolf Lorig
Mit welchen Akteur*innen in der Region arbeiten Sie zusammen?
Das sind zunächst die vielen Ehrenamtlichen vor Ort, die um die Kapelle herum leben, den Schlüssel verwahren, die das Umfeld der Kapellen hegen und pflegen. Ob sie in einem Verein organisiert sind oder ob sie sich aus persönlicher Motivation einsetzen, das spielt für die Mitwirkung keine Rolle. Jeder Bürger, jede Bürgerin ist herzlich willkommen, also jeder, der Interesse und Lust verspürt aktiv zu werden.
Hinzu kommen die Referent*innen, die Vorträge halten, die etwas zu den Räumen und ihrer Ausstattung zu sagen haben oder etwas vortragen möchten, weil es in die Atmosphäre des sakralen Raumes passt.
Es sind auch junge Menschen, die in einem kleinen Raum proben und ein Konzert geben möchten und sich nicht im großen Rahmen trauen. Dort können sie ihre Gehversuche machen.
Schließlich gibt es Kontakte zum Kulturamt der Stadt Trier. Seit kurzem gibt es einen neuen Kulturdezernenten, mit dem ich in Kontakt stehe, sodass wir die Anbindung an die Stadt haben und natürlich auch die Fremdenverkehrsämter und die Tourismusbüros.
Was sind die besonderen Herausforderungen bei der Realisierung des Projektes?
Die erste Herausforderung war ein Unternehmen zu finden, das in der Lage ist, ein derartig ambitioniertes Projekt umzusetzen: Die Ausschreibungsmodalitäten erforderten die Einholung von drei Vergleichsangeboten. Gesagt, getan: das erste Unternehmen sagte bereits am Tag der Angebotseinholung ab, das zweite meldete sich auf wiederholtes Nachhaken gar nicht erst zurück und das dritte war ein Glücksgriff: „TUOMI“. Sehr engmaschig besprachen Frau Dr. Weber-Dellacroce und ich die Vorgehensweise und die digitale Umsetzung. Dabei spielten die Fragen: woher kommt das Material? Was gibt es an Dokumenten? Wer hat die Rechte bei Text und Bild? Wer zeichnet vor Ort verantwortlich? Wie werden die Inhalte strukturiert und dem Design der Fachstelle Katholische Erwachsenenbildung (KEB) angepasst? Wie wird der digitale Baukasten aufgebaut und programmiert, … usw.? Fragen über Fragen und zuletzt: funktioniert die Finanzierung und können wir das Projekt fristgerecht abschließen?
Die Arbeit wurde in Etappen zuverlässig und konzentriert erledigt und uns fehlte es an Zeit, Zeit, Zeit! Der Projektzeitraum war viel zu kurzgefasst, nur mit Durchhaltevermögen und permanenter Abstimmung gelang der Abschluss, sehr zur Freude aller Beteiligten!
Wie ist die Resonanz der Bürger*innen auf das Projekt? Wie können sich Bürger*innen an dem Projekt beteiligen?
Bisher war die Resonanz positiv, weil die Menschen kurze Wege zu ihrer Kulturkapelle haben. Sie haben etwas im Ort, was sie vielleicht gar nicht kennen. Es herrscht oft schieres Erstaunen, wenn zum Beispiel eine Kunsthistoriker*in die Kapelle (Bauweise, Alter, Ausstattung, Verehrung, Patrozinium, Tradition und Brauchtum…) erklärt. Das ist für viele Menschen völliges Neuland, obwohl die Kapellen oft sehr alt sind und seit Jahrhunderten an Ort und Stelle stehen.
Die Symbolik, die Sprache der Kulturkapellen muss neu alphabetisiert, also neu zugänglich gemacht und erschlossen werden. Es bedarf der Hermeneutik und der „kulturellen Diakonie“ – d.h. der Kultur als „Dienst am Menschen“.
Die Digitalisierung kommt uns hierbei entgegen. Falls die Kapellen nicht geöffnet sind, ist jetzt draußen dieses Täfelchen mit dem NFC-Code und alles Wissenswerte ist dort hinterlegt. Daten, Materialien, Quellen und Fotos, auch die Ansprechpartner*innen vor Ort, die angerufen werden können, weil bei ihnen ein Schlüssel hinterlegt ist. Zudem kann ein aktueller Veranstaltungskalender oder Pfarrbrief eingepflegt werden. Das System, das von TUOMI maßgeblich entwickelt wurde, lässt viele Möglichkeiten zu. Es soll auch für junge Menschen attraktiv werden, die mit der Digitalisierung aufgewachsen sind. Wenn wir die Räume neu erschließen, dann tun wir es mit einer modernen Technologie, die vielleicht ein Anreiz für junge Leute ist. Dieses Projekt soll einen Beitrag zur Kulturtransformation von der Vergangenheit in die Gegenwart leisten.
Für unsere Medien ist dieses Projekt ebenfalls von Interesse: Der „Trierische Volksfreund“, die Bischöfliche Pressestelle, die Interne Kommunikation und das Bistumsblatt „Paulinus“ berichteten bereits. Daraufhin gab es Leserückfragen, die in unserer Fachstelle aufschlugen.
Was ist Ihre Vision für die zukünftige Nutzung der Plattform? Wie lässt sich das Angebot weiterentwickeln? Welchen Bedarf gibt es dabei?
Ich stelle mir vor, dass wir die Kontakte grenzüberschreitend weiter ausbauen. Es gibt vergleichbare Initiativen in den Niederlanden, in Luxemburg und im elsässischen Raum. Wir hatten im letzten Jahr eine Tagung in Luxemburg, die uns als Projektleitende zusammengeführt hatte. Ich hatte die Möglichkeit, die Kulturkapellen im Einzelnen und meine Projektidee als möglichen integralen Bestandteil in einem Netzwerk vorzustellen. Geplant war, dass wir die verschiedenen Projekte in unserer Region auf europäische Ebene heben. Wir finden in unserer Grenzregion eine einzigartige Euregio, eine sehr lebendige Region vor. Unser Wunsch war es, die nächsten Schritte der Vernetzung in diesem Raum umzusetzen. Leider kam uns Corona dazwischen. Es folgte eine Vollbremsung nach schwungvollem Start. Am 8. März 2020 war unsere Tagung und am 18. März 2020 waren die Grenzen zum Nachbarn geschlossen: Lockdown. Nun müssen wir wieder an die Fäden anknüpfen und schauen, wie wir das Kulturkapellen-Projekt weiterentwickeln. Wirklich neu, speziell an unserem Projekt ist eben diese Form der QR-Code und NFC basierten Digitalisierung.
Im Vergleich zu Flyern, Prospekten und kleinen Kirchenführern ist unser Modell ressourcenschonend, leicht zu handhaben und barrierefrei.
Bei uns gilt: Handy auflegen und dann erfährt man alles Wissenswerte aus erster Hand!
Frau Zey-Wortmann, vielen Dank für das Gespräch und den Einblick in das Kulturkapellen-Projekt.

Mithilfe eines QR-Codes können Besucher*innen mit dem Smartphone alles Wissenswerte (Informationen über die Architektur und Baugeschichte sowie Öffnungszeiten und Veranstaltungskalender) zur Kapelle abrufen. Foto: Rolf Lorig
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